Stadt Esslingen am Neckar

Stadt Esslingen am Neckar

Ordnungs- und Standesamt                                                                                  15.03.2011

Sachbearbeiter/in:

Gerhard Gorzellik; Sabine Dorsch; Gabriele Vogel

 

                                                                                                                   32/071/2011

 

V O R L A G E

 

 

 

 

 

 

Verwaltungsausschuss

21.03.2011

 

 

Betreff: Nächtliche Ruhestörungen in der Innenstadt

 

 

I. Antrag

 

Vom Bericht der Verwaltung und dem Leiter des Polizeireviers Esslingen, Herrn Peter Schubert,  wird Kenntnis genommen.

   

 

II. Haushaltsrechtliche Deckung

 

Finanzielle Auswirkungen:

 

entfällt

 

Deckungsvorschlag:

 

entfällt

 

 

III. Folgekosten

 

entfällt

 

 

IV. Begründung

 

Die SPD-Fraktion hat in ihrer Anfrage darauf hingewiesen, dass nächtliche Ruhestörungen durch alkoholisierte Jugendliche – insbes. freitags und samstags – in der Innenstadt zunehmen. Sie fragt,

 

 

 

Ordnungsamt und Polizeirevier Esslingen sind sich der von der SPD-Fraktion angesprochenen Problematik nächtlicher Ruhestörungen im Innenstadtbereich bewusst. Diese Thematik wurde auch schon im 2009 dem Gemeinderat vorgelegten kommunalen Sicherheitsbericht eingehend behandelt. Dort wurde bereits auf der Grundlage des damals erstellten Lagebildes alkoholnaher Straftaten, wie Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Widerstand, festgestellt:

 

„Der Alkoholkonsum findet nicht nur in der Szene- und Nachtgastronomie statt. Erheblich ist auch der Konsum von mitgebrachtem und damit billigem Alkohol außerhalb gastronomischer Betriebe und konzessionierter Freisitzflächen. Das „Warmtrinken“ oder „Vorglühen“ ebenso wie der Alkoholkonsum im öffentlichen Raum, überwiegend durch Jugendliche, Heranwachsende und junge Erwachsene lässt sich auch in Esslingen am Neckar nicht von der Hand weisen. Auch die Beschwerden über lagernde und Alkohol trinkende Personen und Gruppen auf öffentlichen Plätzen nehmen zu. Dadurch kommt es oftmals zu den beklagten Pöbeleien und Belästigungen.“ Der Leiter des Polizeireviers Esslingen wird im Verwaltungsausschuss dazu die aktuelle Auswertung von Straftaten und - soweit möglich - der Ordnungsstörungen vorstellen.

 

Von der Polizei wurde auch aktuell festgestellt, dass sich insbesondere Fr./Sa. und Sa./So. nachts die ohnehin hohe Einsatzfrequenz des Streifendienstes nochmals um ca. 50 % erhöht. Dies betrifft insbesondere den Zeitraum zwischen 22:00 und 05:00 Uhr in den o.g. Nächten. Insgesamt zeigt sich die Zunahme an nächtlichem Lärm auch an der steigenden Zahl an Bußgeldverfahren wegen Nachtruhestörungen. Waren es 2009 noch 38 Verfahren, so stieg die Zahl 2010 auf 64 im gesamten Stadtgebiet. Die Zahl der Beschwerden, die nicht geahndet werden können, erreicht ein Vielfaches dieser Zahl. Auffällig ist dabei auch, dass die Zahl der Treffpunkte in den vergangenen Jahren zugenommen hat und sich keinesfalls auf die Innenstadt/Altstadt beschränkt. Allein der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) hatte 2010 an 25 Treffpunkten im Stadtgebiet 687 anlassbezogene Einsätze/Kontrollen. Allerdings ist der Schichtdienst der vier Mitarbeiter des KOD auf Einsatzzeiten bis 23:00 Uhr begrenzt.

 

Zwar ist die Eingriffsmöglichkeit mit dem zwischenzeitlich geltenden Alkoholverbot auf Kinderspielplätzen und Schulhöfen für Polizei und Ordnungsdienst besser geworden. Doch führt dies gerade in der Innenstadt auch zu Verlagerungen auf öffentliche Plätze, für die die Landesregierung die notwendige Rechtsgrundlage im Polizeigesetz für ein Alkoholverbot noch immer nicht geschaffen hat. Hinzu kommt, dass ein weitergehendes

 

 

 

Durchsetzen der bestehenden Verbote oder noch weiterer zusätzlicher Verbote die personelle Kapazität von Polizei und Ordnungsamt übersteigt.

 

Das ab 22:00 Uhr bestehende Alkoholverkaufsverbot für den Einzelhandel und Tankstellen entfaltet auch nach Beobachtung der Verwaltung und der Polizei jedenfalls nicht die erhoffte Wirkung.

 

Neben den nächtlichen Treffpunkten für Jugendliche und junge Erwachsene ist in der Innenstadt auch der wachsende Druck, mit Veranstaltungen und Aktionen in den öffentlichen Raum zu gehen, für den zunehmenden Lärm verantwortlich. Auch die Verkürzung der Sperrzeit für Gaststätten auf 03:00 Uhr bzw. 05:00 Uhr durch das Land und das Ladenöffnungsgesetz  können sich auf das Wohnumfeld störend auswirken. So verbietet das Ladenöffnungsgesetz nächtliche Ladenöffnungen nicht mehr und ermöglicht so auch Ladengeschäfte, wie einen Shisha Probier- und Verkaufsraum mit den bekannten nächtlichen Ruhestörungen.

 

Forderungen, die Gelegenheiten und Anlässe für den Aufenthalt im öffentlichen Raum zur Nachtzeit von vorne herein z.B. durch:

-         Beschränkungen für Gastronomie und Getränkeverkauf in der Innenstadt,

-         weitgehende Einschränkung von Genehmigungen für Veranstaltungen,

-         oder gar keine Veranstaltungen im Stadtkern,

-         Sperrung der öffentlichen Grünanlagen zur Nachtzeit,

zu unterbinden und Anreize zum Aufenthalt zu vermeiden, wird bisher seitens der Verwaltung nicht entsprochen. Will man eine urbane Innenstadt und ihre zentrale Funktion für Wirtschaft, Tourismus und Kultur erhalten, sind derart grundlegende Beschränkungen nicht angezeigt.

 

Eine öffentliche Diskussion zu folgenden Themen und Maßnamen, wäre allerdings durchaus sinnvoll:

-         Sperrzeitverlängerungen für die Altstadt/Innenstadt (ggf. auch nur beschränkt auf Bereiche mit Gastronomie im Umfeld besonders hohen Beschwerdeaufkommens oder besonderen Ruhebedürfnisses) durch eine städt. Satzung;

-         Auflagen gegenüber Gaststättenbetreibern/Veranstaltern bei häufigem Beschwerdeaufkommen - allerdings müssen die Störungen diesen einzelnen Betrieben auch zugeordnet werden können;

-         Reduzierung der Anzahl von Innenstadt-Veranstaltungen, Anpassung der Veranstaltungsrichtlinien ggf. auch mit früherem Ende der Veranstaltungen (z.B. bei Weihnachtsmarkt, Bürgerfest, Zwiebelfest u.a.);

-         Regelungen, wie ein nächtliches Nutzungsverbot für einzelne öffentliche Grünanlagen (außerhalb der Polizeiverordnung) in einer Benutzungssatzung für öffentliche Einrichtungen;

-         Konzept für Projekt „Nachtwanderer“ im Rahmen der Kommunalen Kriminalprävention, mit dem die Bemühungen von Polizei, Ordnungsamt und aufsuchender Jugendarbeit eventuell unterstützt werden könnten;

-         Ausbau der aufsuchenden Jugendarbeit.

 

 

 

Die Wirksamkeit aller zusätzlichen Ge- und Verbote ist - ebenso wie Prävention und der Erfolg aufsuchender Jugendarbeit - entscheidend auch von der Kontrolle und ggf. der Ahndung von Überschreitungen abhängig. Dass damit Verbesserungen erreicht werden können, hat das Alkoholverbot an Bushaltestellen und die Überwachung des Verbotes durch Polizei und KOD in den vergangenen 2 Jahren gezeigt. Allerdings waren dafür allein durch den KOD 2009/2010 155 Kontrollen mit über 60 Platzverweisen und 20 Bußgeldverfahren notwendig. Während in der Maille in diesem Zeitraum 218 Kontrollen allein des KOD mit über 100 Platzverweisen nicht den gewünschten Erfolg erzielen konnten.

 

Die Personalkapazitäten von Polizei und Ordnungsamt sind weitgehend ausgereizt. Eine weitere Intensivierung der Kontrollen insbes. um auch präventiv aktiv zu werden, ist kaum realistisch. Deshalb ist es verständlich, wenn die Polizei vorschlägt, dass die Überwachung städtischer Normen durch einen verstärkten Kommunalen Ordnungsdienst zu den relevanten Zeiten erfolgen soll. Eine Unterstützung der Polizei bei der Bekämpfung der Ordnungsstörungen wäre aber auch durch die Entlastung der Polizeibeamten von nächtlichen Verkehrskontrollen im ruhenden Verkehr denkbar. Dies macht allerdings einen häufigeren Einsatz des Gemeindlichen Vollzugsdienstes nach 20:00 Uhr notwendig und verbietet die von Kienbaum im Rahmen der Organisationsuntersuchung für das Ordnungs- und Standesamt vorgeschlagene Stellenreduzierung beim KOD und Verkehrsordnungsdienst (VOD). Diese Reduzierung wurde allerdings durch die zusätzlichen Kontrollaufgaben im Waffenrecht, die Ausweitung der Geschwindigkeitsüberwachung und eine nicht besetzte Stelle im VOD teilweise bereits vollzogen.

 

Dennoch, auch ohne eine personelle Verstärkung versuchen Polizeirevier Esslingen und  Ordnungs- und Standesamtes im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten sowohl im repressiven als auch im präventiven Bereich dieser erkannten Problematik entgegenzuwirken.

 

Die Enthemmung durch Alkohol ist eine der Hauptursachen für nächtliche Ruhestörungen. Dies gilt gleichermaßen für erwachsene Gastronomiebesucher, wie für „chillende“ Jugendliche. Zudem ist Alkoholkonsum häufig verbunden mit Auseinandersetzungen, deren Verlauf sich dann ebenfalls wieder auf die Nachtruhe störend auswirkt. Die Bekämpfung von Gewaltdelikten und die Verhinderung von Alkoholmissbrauch ist eines der zentralen Anliegen des Polizeireviers Esslingen und steht auch in engem Zusammenhang mit der hier aufgeworfenen Problematik der Nachtruhestörung.

 

Bereits seit 2007 bemüht sich das Polizeirevier Esslingen mit der „Konzeption Sicherheit im öffentlichen Raum“, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, indem gezielt nachts zusätzliche Polizeibeamte an den jeweils aktuellen Brennpunkten eingesetzt werden. In einem monatlichen Sicherheitsgespräch von Ordnungsamts- und Revierleitung der Polizei  werden die Brennpunkte und Maßnahmen sowie die Einsätze von Polizei und KOD aufeinander abgestimmt.

 

 

 

Daneben besteht eine monatlich überprüfte und anlassbezogen aktualisierte Brennpunkt-/Überwachungsliste, die auch die Orte mit besonders ordnungsstörendem Potenzial ausweist und als Anhaltspunkt für die Kontrolltätigkeiten des Streifendienstes und des KOD dient, bzw. konkrete Vorgaben zur Überwachung enthält.

 

Ergänzend werden Jugendschutzkontrollen durchgeführt, mit dem Ziel, den widerrechtlichen Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen zu unterbinden. 2011 haben Polizei und Ordnungsamt im Rahmen der Kommunalen Kriminalprävention das Projekt „Blauer Brief“ begonnen. Eltern von Jugendlichen, die im Zusammenhang mit  übermäßigem Alkoholkonsum auffällig werden, erhalten vom Ordnungs- und Standesamt eine Mitteilung über die polizeilichen Erkenntnisse, verbunden mit einer Information über die bestehenden Beratungsangebote. Das Jugendamt des Landkreises erhält eine Mehrfertigung des „blauen Briefes“.

 

Ein weiteres Projekt zur Alkohol- und Gewaltprävention wurde im Februar 2011 gegenüber dem Landkreis Esslingen angeregt. Das Projekt „Gelbe Karte“ hat schon in einigen Stadt- und Landkreisen zu positiven Erfahrungen geführt. Der Ansatz und Grundgedanke dieses Modellprojektes besteht darin, dass Mobilität in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert besitzt und vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 24 Jahren der Erhalt und Besitz des Führerscheins mit das Wichtigste überhaupt ist. 

Werden daher bei Feststellung von hohen Aggressionspotentialen oder erheblichen alkoholbedingten Gewalt- oder Aggressionsdelikten die Betroffenen in der Form der Gelben Karte durch die Führerscheinbehörde darüber informiert bzw. „verwarnt“, dass  ein Führerschein verweigert oder eingezogen werden kann, wenn der Fahrer charakterlich nicht geeignet ist, ein Fahrzeug zu führen, ist dies eine wirksame Möglichkeit, nachhaltig auf den Personenkreis einzuwirken. Die Jugendlichen werden also darüber informiert, dass der Erhalt eines Führerscheins vom Ergebnis einer MPU abhängig sein kann. Es ist wichtig, dass Jugendliche dieses Führerscheinrisiko kennen.

 

Die Verlärmung der Innenstadt im Zusammenhang mit Veranstaltungen ist auch Thema beim runden Tisch, zu dem vom Bürgerausschuss Innenstadt auf Ende Februar eingeladen wurde. Die Verwaltung will diesen Dialog nutzen, um auch über die oben benannten Maßnahmen, die nicht im Zusammenhang mit Veranstaltungen stehen, mit dem Bürgerausschuss zu einem Meinungsbild zu kommen. Sofern schon erste Diskussionsergebnisse vorliegen, wird im Verwaltungsausschuss darüber berichtet.

 

    

 

 

 

 

 

Amtsleiter                                                                               Dezernent   

 

 


Anlagen:

Nicht alle Anlagen sind öffentlich. (Internet)